Warum macht mein Pferd nicht das, was ich von ihm möchte? Will der mich verarschen? Warum kann er/sie nicht einfach mal so funktionieren wie andere Pferde auch? Kennst du diese Gedanken? Kennst du diese Unzufriedenheit, die schnell in Frust und manchmal sogar in richtige Wut umschlägt?
Ich denke jeder hatte schon mal solche Situationen, in denen es einfach nicht läuft und man sich unfassbar über das Pferd ärgert. Leider ist es häufig ein Tabuthema. Unser Hobby soll uns doch Spaß machen! Daher will ich dir mit ganz praktischen Tipps helfen diese negativen und auch nicht gerade hilfreichen Emotionen loszuwerden.
Emotionen Allgemein
Emotionen sind nicht per se schlecht. Positive Emotionen sind sogar sehr wichtig, auch und gerade im Umgang mit Pferden. Ehrliche Freude über Geleistetes und liebevolle Gesten im Alltag bringen unsere Pferde zum Strahlen!
Aber auch negative Emotionen gehören einfach zum Leben dazu. Denn schließlich gäbe es ohne die negativen auch keine positiven. Ohne Licht kein Schatten, und anders herum.
Was sind nun also positive Emotionen, vor allem rund ums Pferd:
- Freude
- Glück
- Liebe
- Stolz
- Übermut / Ausgelassenheit
- Zufriedenheit
Im Gegensatz dazu die negativen Emotionen wie:
- Enttäuschung
- Unzufriedenheit
- Frust
- Ärger
- Wut
Negative Gefühle im Umgang mit dem Pferd und warum sie nicht hilfreich sind
Frust ist ein Thema, das bei vielen Reitern und Pferdemenschen immer wieder präsent ist. Wir sehen jeden Tag in den Sozialen Medien Menschen, die mit ihren Pferden scheinbar (!) problemlos die tollsten Dinge machen können. Alles sieht so leicht und einfach aus! Und dann kommt man mit dieser Erwartungshaltung zu seinem eigenen Pferd… und wird meist enttäuscht.
Natürlich bist du frustriert, wenn das Pferd scheinbar nie so reagiert wie du es dir wünschst. Oder ausgerechnet heute etwas nicht klappt, was doch sonst immer geklappt hat!
Aus dem Frust kann dann schnell Ärger und regelrechte Wut werden, erst recht wenn man anfängt das Verhalten des Pferdes persönlich zu nehmen!
„Das macht der mit Absicht!“
„Der verarscht dich nur!“
Bestimmt kennst auch du diese Sätze, sei es von anderen Reitern oder sogar Trainern. Und dann kommt auch unvermeidlich der Satz
„Setz dich halt mal durch!“
Doch was passiert, wenn wir uns mit Wut im Bauch mal so richtig „durchsetzen“ wollen? Wir werden hart, streng und reagieren meistens sehr unfair. Wir treten dem Pferd mit starrem Blick und einer hohen Muskelanspannung entgegen. Unsere Atmung ist flach und angestrengt…
Erkennst du es? Der Mensch verhält sich wie ein Raubtier!
Das Pferd hat keine Angst vor Raubtieren, es hat Angst vor Raubtier-Verhalten.
Ich war früher ziemlich ehrgeizig und habe mich sehr geärgert, wenn etwas nicht so geklappt hat wie ich mir das vorher gedacht habe. Mein Islandpferd Eldur wusste schnell wie er diese „Knöpfe“ bei mir drücken konnte, so dass er mich immer wieder zur Weißglut gebracht hat. Das kennst du sicherlich auch! Es gibt einfach Pferde, die sehr gut darin sind. 😉 Ich denke sie wollen uns damit etwas beibringen… Es hat jedoch eine Weile gedauert bis ich diese Lektion verstanden hatte.
Heute gibt es nur noch ganz selten Tage, an denen ich wütend werde… meist bin ich dann gleichzeitig wütend auf mich selbst, weil ich wieder mal etwas zu persönlich nehme und genau weiß, wie blöd das von mir ist (was wiederum auch nicht hilfreich ist).
Meistens aber sieht man mich lachen, auch und gerade wenn etwas mal nicht so klappt.
Aber wie schafft man das!?
Wie wirst du die negativen Emotionen nun also los?
In erster Linie sind negative Emotionen einfach menschlich. Doch genau da liegt schon das erste Problem: sie sind menschlich! Pferde können mit vielen unserer Gefühle nichts anfangen. Und daher haben sie im Umgang mit dem Pferd auch nichts verloren.
Genauso schlimm wie das Herauslassen der negativen Emotionen ist es jedoch Gefühle zu unterdrücken oder zu überspielen. Das macht dich auf Dauer krank und deinem Pferd kannst du eh nichts vormachen. Es merkt sofort, dass du nicht authentisch bist und wird entsprechend darauf reagieren – und sicherlich nicht so wie du es dir wünschst. 😉
Die Lösung: Verständnis & Wissen
Der Schlüssel liegt darin Wissen über die Natur und die Bedürfnisse des Pferdes zu erlangen, sowie seine körpersprachlichen Signale richtig zu deuten. Je mehr Wissen du hast, desto mehr Verständnis kannst du für dein Pferd aufbringen und desto weniger wirst du dich über sein Verhalten ärgern. Denn:
Dein Pferd hat immer Recht!
Dein Pferd will dich nicht verarschen! Es reagiert so, wie du es ihm bewusst oder unbewusst beigebracht hast. Außerdem ist es immer im Hier und Jetzt und entscheidet was für ihn aktuell Priorität hat:
- Sicherheit
- Komfort
- Spiel
- Fortpflanzung
- Futter
Sicherheit:
Sicherheit ist IMMER das aller Wichtigste für dein Pferd. Nichts steht darüber! Wenn dein Pferd Angst ums Überleben hat und du ihm in dem Moment keine Sicherheit bieten kannst, wird es nicht auf dich achten und hat dafür auch alles Recht der Welt! Es weiß schließlich nicht, dass ihm in unseren Breitengraden keine Gefahr vor Raubtieren droht.
Komfort:
Jedes Pferd ist auf Harmonie aus. Mit Komfort-Diskomfort, Druck bzw. negativer Verstärkung kannst du deinem Pferd ein bestimmtes Verhalten beibringen. Übertreibst du es aber mit dem Druck, hat dein Pferd auch hier das Recht das zum Ausdruck zu bringen. Und was für ein Pferd „zu viel“ Druck ist, kann von Pferd zu Pferd und auch von Tag zu Tag sehr unterschiedlich sein! Denk immer daran: ein Pferd spürt die Fliege auf seinem Fell!
Spiel:
Manche Pferde sind extrem verspielt und wie kleine Kinder… sie zappeln herum und müssen alles ins Maul nehmen, was in Reichweite ist. Auch das meinen sie nicht böse. Es liegt einfach in ihrer Natur. Ärger dich also nicht darüber, sondern versuch das Verhalten zu nutzen und in positive Bahnen zu lenken.
Fortpflanzung:
Ist vor allem bei Hengsten ein großes Thema, aber auch bei Stuten. Wenn die Hormone verrückt spielen, sind wir Menschen meist unwichtig fürs Pferd. Oder die Stute reagiert zickiger als sonst. Aber kennst du das nicht auch von dir selbst? 😉
Auch dafür sollte man Verständnis haben und versuchen damit umzugehen ohne dem Pferd das Gefühl zu geben etwas falsch gemacht zu haben.
Futter:
Für manche Pferde ist Futter noch wichtiger als Komfort, vor allem wenn dein Pferd Hunger hat… dann spielt das Thema Sicherheit/Überlebensinstinkt aber auch automatisch wieder eine Rolle! Es ist also wichtig, dass die Haltung und die Fütterung möglichst artgerecht sind, so dass dein Pferd überhaupt auf dich eingehen kann. Mit knurrendem Magen könntest du schließlich auch keine Matheklausur schreiben, oder?
Wenn keine 24/7 Fütterung möglich ist, solltest du also überlegen deinem Pferd zuerst etwas zu fressen zu geben, bevor du etwas von ihm verlangst. Auch wenn du denkst, in 1 Stunde bekommt es doch wieder was… weiß dein Pferd das auch? Kann es sich wirklich sicher sein?
Wenn du dein Pferd und seine Bedürfnisse wirklich von ganzem Herzen SIEHST und verstehst, kannst du ihm gar nicht mehr böse sein!
4 Schritte zum positiven Denken
Was mache ich nun aber ganz konkret, wenn ich in einer Situation bin, die mich frustriert und wütend macht?
1.) Erste Hilfe Tipp: Geh raus aus der Situation!
Wenn du dich ärgerst oder wütend bist, kannst du das nicht mit einem Fingerschnippsen ändern. Erst recht nicht, wenn du noch den Führstrick, das Seil oder die Zügel in der Hand hältst und dein Pferd direkt vor dir steht bzw. unter dir ist. Geh also raus aus der Situation! Es gibt verschiedene Möglichkeiten dafür. Je nachdem wie stark deine negativen Gefühle sind, reicht vielleicht bereits einer dieser Tipps:
- Mach WENIGER statt mehr.
- Dreh dich um und schau in die Ferne.
- Lass das Seil / den Führstrick so lang wie möglich oder lass es los, wenn es für dein Pferd ungefährlich ist.
- Wenn du auf dem Pferd sitzt: halt an, schließ die Augen oder steig ab!
- Setz dich auf den Boden
Oder du musst etwas weiter gehen:
- Geh raus aus dem Round Pen, runter vom Reitplatz… lass dein Pferd alleine (natürlich nicht im Gelände!)
- Mach Schluss und fahr nach Hause
Jetzt wirst du vielleicht denken: aber dann hat mein Pferd doch gewonnen!
Vielleicht… ja. Aber in den meisten Fällen versteht das Pferd das gar nicht als „gewinnen“ sondern ist einfach nur erleichtert, wenn das Raubtier sich wieder entspannt oder weggeht!
Mit Ärger und Wut wird NICHTS BESSER!
Im Gegenteil, du wirst wahrscheinlich das Vertrauen deines Pferdes (ein Stück weit) verlieren und eure Beziehung damit schädigen.
Notfalls sieh es so: lass deinem Pferd diesen kleinen Sieg. Du wirst das ein anderes Mal wieder reparieren, wenn du nicht mehr wütend bist sondern klug und verständnisvoll reagieren kannst.
2.) Tief durchatmen und Lächeln
Tief ein und ausatmen hilft gegen die flache Wut-Atmung. Es entspannt die Muskulatur und bringt den Fokus wieder auf dich und deine Umwelt. Am besten funktioniert es, wenn du dabei die Augen schließt.
Wenn du wieder ein bisschen runtergekommen bist, versuch zu lächeln! So kannst du deinen Körper ein wenig überlisten und positive Gefühle wecken.
Öffne die Augen, schau dein Pferd an und lächle. Vielleicht kannst du sogar über euer Kommunikationsproblem lachen! Denn meistens ist es doch gar nicht mehr als das: ein Kommunikationsproblem. 🙂
3.) Analysieren und Verständnis entwickeln
Jetzt wo die Wut nicht mehr so groß ist, kannst du wieder rational denken. Analysiere das Problem und versuch zu verstehen warum dein Pferd so reagiert hat.
Wie denkt dein Pferd über die Situation?
Hat es überhaupt verstanden was es tun sollte? Warst du klar genug? Hättest du es ihm einfacher machen können?
Waren meine Erwartungen zu hoch?
Oder konnte es deine Bitte gar nicht ausführen? Vielleicht hat es Schmerzen oder eine Blockade, die es an der Bewegung hindert?
Hatte es vielleicht zu große Angst? Wenn Pferde Angst haben, haben sie buchstäblich Todesangst! Hast du Verständnis dafür oder wolltest du es „über die Klippe schubsen“?
Hast du zu viel Druck gemacht und warst dadurch selbst unhöflich und respektlos?
Hat dein Pferd Hunger und sah sich gezwungen zu grasen, obwohl du es verboten hast?
Es gibt viele Gründe für dein Pferd nicht das zu tun, was du willst. Und jedes davon ist ein guter Grund! Denk daran:
Dein Pferd hat immer Recht!
Mir selbst haben vier Sätze sehr geholfen, die mir inzwischen immer wieder in solchen Situationen in den Kopf schießen:
- „Wie interessant! Warum macht er/sie das jetzt gerade?“
- „Kann er nicht, will er nicht oder versteht er mich nicht?“
- „Ja, du hast recht damit, dass …“
- „Oh cool, etwas zum Basteln!“ (Basteln in Form von etwas Neuem an dem wir arbeiten können)
Vor allem dieser letzte Satz hilft sehr aus dem negativ belasteten Problem etwas Positives zu machen! Denn so siehst du es als Chance eure Kommunikation zu verbessern und eure Beziehung zu stärken!
4.) Der Neuanfang
Inzwischen sollte deine Wut durch Verständnis abgelöst worden sein. Wenn nicht, geh wieder zu Schritt 1 zurück. Dann bist du noch nicht bereit es noch einmal neu zu versuchen.
Wenn du jetzt also wieder zu deinem Pferd zurückgehst, hast du die Möglichkeit die gleiche Frage wie vorher noch einmal zu stellen oder etwas ganz anderes zu tun. Beides ist völlig in Ordnung! Etwas erst einmal gut sein zu lassen hat nichts mit Schwäche zu tun sondern mit Intelligenz! Denn bevor du es noch einmal versuchst, solltest du dir eine andere Vorgehensweise überlegt haben. Weil:
Wenn du immer das gleiche tust, bekommst du auch immer das gleiche Ergebnis.
Nimm dir also die Zeit und überlege dir eine neue Strategie abhängig von dem Ergebnis deiner Analyse.
Manchmal hilft es auch sich die Situation vor dem inneren Auge immer wieder vorzustellen und eine (neue) Reaktion mental zu üben, bevor du es mit deinem Pferd probierst. So bist du bereits sicherer in dem was du tust. Das ist vor allem bei stark eingebrannten Verhaltensmustern wichtig.
Noch drei zusätzliche Tipps:
Stress, Anspannung und Zeitdruck führen automatisch dazu, dass du eine geringere Toleranzschwelle hast und deutlich schneller genervt und wütend reagierst.
An solchen Tagen fahre ich entweder gar nicht zu meinem Pferd oder verlange nichts von ihm. Selbst wenn ich „nur“ putzen will, wird er herumzappeln und scharren. Da er normalerweise entspannt still steht, wird mich das natürlich ärgern. Aber mein Pferd kann gar nichts dafür. Ich strahle einfach solch eine Energie und Anspannung aus, dass er daneben einfach nicht still stehen KANN!
Also: durchatmen, lächeln und sagen „Ich weiß, du hast Recht. Aber ich bin heute eben einfach so.“ Wenn ich mir das selbst und ihm verzeihen kann, können wir beide damit leben, ohne dass ich wütend und ihm gegenüber unfair werde.
(2) Vergleich dich nicht!
Jeder hat seine eigenen Erfahrungen, Erlebnisse und Probleme, die er mit sich herumträgt. Gerade in den sozialen Medien werden meist nur die Erfolgserlebnisse geteilt. Du weißt nicht welche Schwierigkeiten derjenige bereits gemeistert hat, wieviel er für diesen Erfolg gearbeitet hat! Konzentrier dich lieber auf dich und dein Pferd und…
(3) Freu dich über jedes noch so kleine Erfolgserlebnis!
Es gibt IMMER etwas, das gut war. Erfreu dich lieber daran anstatt dich über das Schlechte zu ärgern. 🙂
Fazit:
Frust und Wut sind menschlich, lassen dich jedoch wie ein Raubtier auftreten. Du wirst nicht mehr fair und partnerschaftlich mit deinem Pferd umgehen können. Daher ist es am Besten die Wut in diesen 4 Schritten aufzulösen:
1.) Geh raus aus der Situation.
2.) Atme tief ein und aus und lächle.
3.) Analysiere die Situation. Sieh sie dir aus der Sicht deines Pferdes noch einmal an.
4.) Gehe die Herausforderung mit einer neuen Strategie an (direkt oder ein paar Tage/Wochen später).
Stress ist eine der Hauptursachen dafür, dass du schnell frustriert und wütend wirst! Deshalb möchte ich dir meine besten Tipps und Übungen an die Hand geben, um deinen Stresslevel zu reduzieren. Melde dich jetzt zu meinem Anti-Stress-Minikurs an:
Hier noch ein paar Tipps zum Weiterlesen:
- Mehr zu einem achtsamen Umgang mit deinem Pferd
- 3 Tipps für echte Glücksmomente mit deinem Pferd
- Frustration beim Umgang mit Pferden (Svenja Stuck, mynaturaldressage.de)
Erzähl mir von deinen Erlebnissen und Erkenntnissen! Worüber ärgerst du dich häufig und wie sind deine Strategien um Frust zu vermeiden?
Andrea Stark says
Liebe Jessica,
herzlichen Dank für den Artikel!
Ich hab zwar gar kein Pferd, 😉 aber deine Worte erinnern mich sehr an unser Hundetraining: „Hat es überhaupt verstanden was es tun sollte? Warst du klar genug? Hättest du es ihm einfacher machen können?“und „Kann er nicht, will er nicht oder versteht er mich nicht?“…
Und ich glaube, dass deine Tipps in fast jeder Kommunikation – egal ob mit Tier oder Mensch – sehr hilfreich sein können. 😄
Herzliche Grüße
Andrea
Jessica Freymark says
Hallo Andrea,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Ich habe zwar keinen Hund, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass es da genauso ist. 😉 Und Ja, eigentlich gelten die Tipps wirklich für jegliche Art der Kommunikation. 😀
Liebe Grüße,
Jessica
Anna says
Sie haben oben geschrieben ihr Isländer Eldur….ich habe ein Buch gelesen…mein feuerpferd oder so ähnlich…auf jeden Fall habe ich sofort eine Gänsehaut bekommen und wollte sie fragen ob dieses Buch vielleicht von ihnen Handelt! Würde mich sehr über eine Antwort freuen! Lg Anna😊❤
Jessica Freymark says
Hallo Anna, nein, das Buch kannte ich tatsächlich gar nicht. 😉 Aber „Eldur“ ist ein relativ verbreiteter Name für Islandpferde. 🙂
Liebe Grüße, Jessica