Das Putzen des Pferdes wird häufig als notwendiges Übel angesehen. Gerade, wenn man sein Pferd schon viele Jahre lang hat sind diese Minuten nur noch reine Routine. Kennst du das auch? Man macht das eben… sei es um das Pferd sauber zu bekommen, damit es hübsch aussieht oder der Sattel nicht scheuert. Oder nutzt du die Chance um zu überprüfen, ob dein Pferd gesund ist oder dir irgendetwas Ungewöhnliches auffällt? Oder siehst du es als Möglichkeit die Durchblutung mit einer guten Putzmassage anzuregen? All das ist gut und wichtig. Doch durch achtsames Putzen kannst du noch so viel mehr erreichen – du kannst die Beziehung zwischen dir und deinem Pferd unglaublich stärken!
Hast du den Film „Avatar“ gesehen? Kennst du die Szene wo der Ausspruch „Ich sehe dich!“ eine unheimlich tiefe Bedeutung hat?
„Ich sehe dich!“
Beim Putzen schaue ich immer wieder in das Gesicht meines Pferdes. Ich versuche so gut es geht seine Mimik zu lesen – was gefällt ihm, was nicht? Wenn ich zum Beispiel an einer empfindlichen Stelle zu stark aufdrücke und über seine Unmutsäußerung im Gesichtsausdruck hinweggehe, wird es als Konsequenz einfach weggehen!

Weggehen? Aber mein Pferd ist doch angebunden! Es kann ja nicht weg.
Umso schlimmer! Stell dir vor du wärst angekettet und jemand haut dir aus seiner Sicht freundschaftlich auf die Schulter. „Hey Jessica, wie geht’s dir?“ Doch du hast vielleicht gerade eine Zerrung und der freundschaftliche Klaps tut höllisch weh. Du verziehst das Gesicht und bittest deinen Freund das nicht nochmal zu tun, weil dir das aktuell sehr weh tut. Doch dein Freund grinst und macht es gleich nochmal… und nochmal… oder er sieht es nicht mal als Spaß sondern ignoriert deine Bitte einfach völlig ungerührt! Wie fühlst du dich?

Ich binde mein Pferd seit einiger Zeit gar nicht mehr an. Zum einen weil ich angefangen habe nur noch ein Knotenhalfter zu verwenden und dieses einfach nicht zum Anbinden geeignet ist. Zum anderen möchte ich, dass das Putzen und Vorbereiten ein Dialog zwischen uns beiden ist. So bekomme ich schnell mit, wenn Eldur keine Lust mehr hat herumzustehen, weil er gerade einfach zu viel Energie hat. Oder ihm gefällt die Stelle, die Bürste oder meine Art und Weise beim Putzen nicht… es gibt viele Möglichkeiten.
Stell dir vor deine beste Freundin bürstet deine Haare durch, um sie dir anschließend für dein Date zu frisieren. Sie ist dabei so vorsichtig, dass sie nur minimal deine Haut berührt. Als sie an deinen Nacken kommt, verkrampfst du dich, weil das total kitzelt! Ein, vielleicht zweimal kannst du das ertragen. Beim dritten Mal wirst du etwas sagen oder aufspringen und weggehen wollen.
Oder das andere Extrem – sie bürstet so fest, dass die Borsten der Haarbürste schmerzhaft über deine Kopfhaut schaben. Wie lange wirst du das aushalten ohne etwas zu sagen?

Mein Pferd hat also die Möglichkeit zu gehen, wenn es muss. Wenn es geht, schaue ich ihm natürlich nicht nur hinterher, sondern halte ihn sanft auf und bitte ihn zurückzukommen. Da ich ein langes Seil auf dem Boden liegen habe, habe ich genug Zeit dafür, ohne hektisch hinterher rennen zu müssen. Anschließend überlege ich warum Eldur so drastisch seinen Unmut zeigen musste und versuche zu verhindern, dass er sich nochmal dazu genötigt fühlt.
ICH ändere mein Verhalten!

Bitte nicht falsch verstehen. Du kannst und sollst dein Pferd natürlich weiterhin anbinden, wenn du das Gefühl hast, dass es zu gefährlich wäre, es nicht zu tun (Unser Hof ist komplett eingezäunt – Eldur kann also nicht weit weglaufen). Aber auch dann kannst du achtsam auf die Mimik und die Reaktionen deines Pferdes sein. Fängt dein Pferd an herumzuhampeln oder zu scharren, hat es einen Grund dafür!


Fellpflege als Soziales Miteinander
Zwischen Pferden ist die gegenseitige Fellpflege ein Freundschaftsdienst, dass das soziale Miteinander und die Beziehung zueinander stärkt. Gerade jetzt im Frühjahr, wo der Fellwechsel im vollen Gange ist, juckt es unsere Pferde an vielen verschiedenen Stellen. Stellen, an denen sie zum Teil gar nicht oder nur schwer rankommen! Hals, Brust, Bauch, zwischen den Hinterbeinen… es gibt viele Möglichkeiten unserem Pferd zu beweisen
wie toll menschliche Hände sind!!!

Nimm dir Zeit beim Putzen, sieh es als Intensivieren eurer Beziehung, und erkunde den Körper deines Pferdes mit deinen Händen oder auch den verschiedenen Bürsten. Genieße es das warme und weiche Fell unter deinen Fingern zu spüren und den intensiven Pferdeduft in der Nase zu haben.
Lächle dabei, denn etwas Gutes zu tun, tut auch dir gut.
Für mich ist diese Zeit unglaublich entspannend! Es ist fast meditativ. Nichts was um uns herum passiert ist wichtig. Ich bin ganz bei mir, meinem Pferd und dem was ich tue. Wir sind in unserer eigenen persönlichen Blase. Es kommt schon mal vor, dass ich so darin versunken bin, dass ich nicht mitbekomme, wenn jemand mit mir redet. Das macht aber nichts. Inzwischen wissen eh alle, dass ich etwas „anders“ bin. 😉 Und auf manch einen überträgt sich unsere Ruhe sogar.

Schau bei allem was du tust möglichst viel in das Gesicht deines Pferdes! Zuckt die Lippe deines Pferdes? Bekommt es einen glasigen Blick? Dann hast du wohl eine gute Stelle gefunden. Experimentiere mit dem Druck und der Technik. Manchmal reicht es nur ganz vorsichtig mit den Fingerspitzen zu „kratzen“, eher zu massieren. Und manchmal musst du richtig mit beiden Händen und voller Kraft das Fell durchschrubbeln!
Dein Pferd wird dich dafür lieben!
Und wenn du das häufig machst, wunder dich nicht, wenn es dir plötzlich mit einem Körperteil ganz nahe kommt. Wenn es dir geradezu aufdringlich die Schulter oder den Hintern unter die Nase hält!
Das ist eine Bitte: „Frauchen, DA juckt es! Bitte hilf mir!“
Ich finde es toll, wenn mein Pferd so deutlich mit mir in einen Dialog tritt und seine Wünsche äußert. Und dann bin ich auch nur allzu gern bereit diese zu erfüllen! ABER – nur weil ich weiß, dass er mir nie aus böser Absicht den Hintern zuwenden würde und weil ich ihn jederzeit wieder von mir wegschicken kann! Der gegenseitige Respekt muss vorhanden sein, bevor man solche Bitten des Pferdes erfüllt.
Wird Eldur zu aufdringlich und schubst mich regelrecht weg, gehe ich auf seine Bitte nicht ein und sage ihm freundlich aber bestimmt, dass er Abstand halten soll. Ich will ihn ja nicht dafür bestrafen seinen Wunsch geäußert zu haben. Es geht mir darum das WIE zu formen.
Nur wer höflich ist, bekommt Wünsche erfüllt!


Fazit:
Nimm dir möglichst häufig Zeit für intensive und achtsame Fellpflege mit deinem Pferd gemeinsam. Lächle und genieße den Körperkontakt. Beobachte entspannt die Mimik deines Pferdes und versuche herauszufinden wo und wie es gerne berührt werden möchte. Und denk dran – das kann sich ändern. Auch dich juckt es ja nicht immer an der exakt gleichen Stelle! Wenn du dir häufig so Zeit fürs Putzen nimmst, wirst du merken, wie eure Beziehung stärker wird und ihr beide diese gemeinsame Zeit genießen könnt.
Und wenn du noch mehr über den achtsamen Umgang mit deinem Pferd lernen möchtest, lies hier weiter.
Erzähle mir von deinen Erlebnissen! Wo liebt dein Pferd es gekrault zu werden? Wie empfindest du diese intensive Zeit? Hat sich etwas in der Beziehung zwischen dir und deinem Pferd verändert?

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