Stress… vermutlich kannst du das Wort schon nicht mehr hören. Doch leider ist es ein Thema, das uns alle betrifft. In der heutigen Welt von höher, schneller, weiter und ständigem erreichbar sein, sowie gesellschaftlichem Druck durch die sozialen Medien fühlt sich jeder von uns mal mehr und mal weniger gestresst. Pferde dagegen sind meist tiefenentspannt – sofern sie sich in ihrem Lebensraum, ihrer Fütterung und in der Herde wohl fühlen. Was passiert, wenn du gestresst zu deinem Pferd kommst und was gestresst zu sein eigentlich genau bedeutet, dass erzähle ich dir in diesem Blogbeitrag.
Die Ausgangslage – Stress im Alltag
Kennst du diese Situation so oder so ähnlich?
Du freust dich schon den ganzen Tag auf dein Pferd! Du bist zu einem Ausritt verabredet und freust dich schon sehr darauf. Doch vorher musst du noch den Arbeitstag mit allerhand nervtötenden Meetings hinter dich bringen. Du hast unglaublich viel zu tun, ständig kommen neue E-Mails rein, die dringend beantwortet werden müssen. Und dann platzt auch noch ständig diese Kollegin rein, die einfach nichts alleine hinbekommt und dich ständig um Hilfe bittet.
Du hetzt von einem Ort zum nächsten und hast doch das Gefühl nichts geschafft zu haben.
Dann endlich – Feierabend! Du springst in dein Auto und machst dich auf dem Weg zum Stall. Oh ja, jetzt ein schöner entspannter Ausritt! Das ist genau das, was du jetzt brauchst!
Doch dann gerätst du – ausgerechnet Heute – in einen Stau. Du verspätest dich und siehst, dass deine Mitreiterinnen schon beim Satteln sind! Hektisch springst du aus dem Auto, rufst den Mädels ein kurzes „Hallo, entschuldigt die Verspätung! Ich bin gleich da!“ zu und sprintest in die Sattelkammer. Du schnappst dir das Halfter und rennst zur Weide, um dein Pferd zu holen…
Wie glaubst du, reagiert dein Pferd auf dich?
Vermutlich wird es nicht fröhlich wiehernd zu dir kommen, sondern eher skeptisch zu dir rüber schauen. Vielleicht läuft es sogar vor dir weg…
Am Putzplatz wird es unruhig sein, herumhampeln, scharren… oder es steht ganz starr und angespannt da. Vielleicht will es dir die Hufe nicht geben, sich nicht satteln oder trensen lassen…
Der Teufelskreis
Da du eh schon gestresst bist, wird dich das Verhalten deines Pferdes vermutlich nur noch mehr stressen. Du bist frustriert und genervt. „Warum können wir nicht einfach nur einen schönen Ausritt machen?“, fragst du dich.
Und wenn dich das Verhalten deines Pferdes so richtig zur Weißglut bringt, wirst du vermutlich sogar unfair und fängst an, es für sein Verhalten zu bestrafen.
Nun bekommt dein Pferd auch noch Angst vor dir und wird umso zappeliger… was dich nur noch wütender macht und dein Stresslevel in die Höhe schnellen lässt. Der perfekte Teufelskreis!
Schlussendlich kann ein Ausritt unter solchen Bedingungen sogar richtig gefährlich werden!
Ich kenne diesen Teufelskreis aus meiner Vergangenheit sehr gut. Mein Islandpferd Eldur hat mir meinen Stresspegel immer stark gespiegelt. Häufig wusste er früher, dass ich gestresst bin, als ich selbst! *lach*
So fing er immer wieder in schöner Regelmäßigkeit an bestimmte Themen und Verhaltensmuster wieder auszupacken sobald meine Klausurzeit an der Uni näher rückte… Plötzlich fing er wieder an beim Putzen unruhig herumzuwandern und ständig mit dem Huf über den Boden zu scharren. Ich hasste das, war dadurch mega genervt und wurde durch meinen Frust schnell unfair…
Statt Entspannung fand ich nur noch mehr Frust bei meinem Pferd und war dadurch noch gestresster!
Vielleicht kennst du das?
Typische Anzeichen, dass dein Pferd deinen Stress spiegelt
Achte einmal darauf, ob dir diese Anzeichen bei deinem Pferd auffallen. Es…
- ignoriert dich, wenn du kommst.
- läuft vor dir weg.
- ist unruhig beim Putzen.
- zappelt herum und lässt sich nicht satteln.
- ist komplett erstarrt.
- gibt dir die Hufe nicht.
- hat das Maul fest zusammengekniffen und nimmt die Trense nicht.
- lässt dich nicht aufsteigen.
- ist schreckhafter als sonst.
- …
Du erkennst dich und dein Pferd wieder?
Super! das „Sich bewusst werden“ ist der erste Schritt, um etwas zu verändern. Aber bitte, mach dir keine Vorwürfe! Das erzeugt nur neuen Stress. Atme einmal tief durch und freue dich darüber, dass du eine mögliche Ursache gefunden hast und nun an dieser arbeiten kannst!
Natürlich kann das alles auch immer andere Ursachen haben. Aber es ist auf jeden Fall ein idealer Moment, um sich selbst einmal zu hinterfragen! 😉
Was ist Stress eigentlich?
Auch wenn das Wort „Stress“ heutzutage sehr negativ besetzt ist, muss es das gar nicht sein. Tatsächlich gibt es nämlich nicht nur negativen sondern auch positiven Stress.
Positiver Stress (=Eustress) entsteht vor allem dann, wenn du dich so sehr auf etwas freust, dass du richtig aufgeregt bist. Du hast Schmetterlinge im Bauch, kannst vielleicht gar nicht still sitzen und dein Herz schlägt schneller. Er entsteht auch dann, wenn du Spaß an einer Herausforderung hast oder verliebt bist.
Negativer Stress (= Distress) entsteht dagegen meist aus einer Angst heraus. Er ist eine ganz normale Körperreaktion, um dich in erhöhte Leistungsbereitschaft zu versetzen und damit in erster Linie sehr hilfreich. Er entsteht zum Beispiel dann, wenn du dich einer Situation nicht gewachsen fühlst.
Positiver vs. Negativer Stress
Ob eine Situation für dich positiver oder negativer Stress ist, hängt also zum einen davon ab, wie du dich dabei fühlst, zum anderen aber auch wie selbstsicher du bist, dass du diese Situation händeln kannst.
So genanntes Lampenfieber vor einem Auftritt zum Beispiel, kann sowohl positiver Stress als auch negativer Stress sein, je nachdem ob du dich auf den Auftritt freust und ziemlich sicher bist, dass du ihn gut meistern wirst oder ob der Gegenteil der Fall ist. Selbst erfolgreiche Musiker oder Top-Speaker sind vor ihren Auftritten immer noch aufgeregt, sind also positiv gestresst. Das ist etwas völlig Normales und nicht schädlich.
Im Gegenteil: von positivem Stress wollen wir mehr haben!
Kurzzeitiger negativer Stress ist ebenfalls normal und kein Problem für den Körper, wenn wir danach wieder in eine Entspannung finden.
Zum Problem wird er erst in dem Moment, wenn der Stresspegel nicht mehr sinkt sondern man sich über längere Zeit gestresst fühlt. Oder noch schlimmer: du merkst gar nicht mehr, dass du gestresst bist und hältst diesen Zustand für normal. Dann macht Stress krank!
Die Folge sind zahlreiche Erkrankungen wie
- Erhöhte Infektanfälligkeit (geschwächtes Immunsystem)
- Schlafstörungen
- Kopfschmerzen
- Magen-Darm und Verdauungsbeschwerden
- Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zum Herzinfarkt
- Lippenherpes
- Gürtelrose
- Neurodermitis
- Allergien
- Tinnitus
- Burnout
- Depression
- …
Bei mir persönlich zeigt sich kurzzeitiger negativer Stress in Magen-Darm-Problemen, lang anhaltender Stress führt dazu, dass ich anfällig für grippale Infekte bin und mich mein Körper schließlich ausknockt, notfalls sogar mit Fieber, damit ich auch ja im Bett bleibe und zur Ruhe komme!
Stress zu vermeiden ist auch keine Lösung
Ein Leben ganz ohne Stress wäre nicht nur sehr langweilig, sondern auch gar nicht ohne weiteres möglich. Stell dir vor, du würdest immer in einer kompletten Entspannung leben… ohne dich je wirklich auf etwas zu freuen oder mal etwas Neues auszuprobieren.
Denn jede Lernsituation bedeutet für dich und übrigens auch für dein Pferd erstmal Stress. Jedes Mal, wenn du ein bisschen aus deiner Komfortzone herausgehst, gerätst du in Stress. Doch wenn du die Situation gemeistert hast, wächst dein Selbstbewusstsein und du erfährst insgesamt persönliches Wachstum.
Gesund ist es eine positive Balance zu finden zwischen positivem Stress, (nur hin und wieder kurzfristigem negativem Stress) und Entspannung.
Das gilt gleichermaßen für Mensch UND Pferd! Du kannst dein Pferd nicht ständig vor Stress bewahren. Aber du kannst dafür sorgen, dass der negative Stress nur kurzfristig auftaucht und nicht zu stark wird.
Und positiver Stress ist auch für das Pferd etwas Gutes, nämlich dann, wenn es mit Freude und echter Motivation mitarbeitet und zusammen mit dir Spaß hat!
Wie läuft eine akute Stress-Reaktion im Körper ab?
1) Die Schrecksekunde
Der Name ist hier Programm. Du erschreckst dich und erstarrst. Einen winzigen Augenblick lang bist du nicht fähig zu denken oder zu handeln, weil dein Körper spontan und kurzfristig alle Prozesse herunterfährt. Das tut er, um direkt danach alles auf 100% hochfahren zu können für die 2. Phase:
2) Unter Adrenalin
Nun ist dein Körper voller Adrenalin. Dein Puls ist so stark erhöht, dass dir dein Herz buchstäblich bis zum Hals schlägt. Du atmest ganz flach und kurz in der Brust. Dein Blick ist starr und du hast einen Tunnelblick. Wenn du weißt, woher die „Gefahr“ kommt, starrst du dorthin. Die Muskulatur ist angespannt und jederzeit bereit zur Flucht oder zum Kampf.
3) Entspannungsphase / Erschöpfung
Die akute Gefahrensituation ist vorbei. Je nachdem wie extrem die Situation für dich war, hast du vielleicht erstmal gar keine Energie mehr, bist total erschöpft und hast zittrige Knie, so dass du dich erst einmal setzen musst.
War der Stressmoment positiv, hast du vielleicht aber auch Glücksgefühle und hast Selbstbewusstsein getankt. Trotzdem wirst du dich auch hiernach entspannen und vielleicht auch erschöpft fühlen.
Wie wirkt ein gestresster Mensch aufs Pferd?
Pferde können genau wie alle Beutetiere das Verhalten von Raubtieren lesen. Sie wissen, wann ein Raubtier hungrig ist und auf Jagd geht und wann es nur satt herumliegt. Dieses Wissen ist zum Beispiel für Zebras essentiell, damit sie nicht ständig wegrennen müssen, sobald auch nur ein Löwe am Horizont auftaucht. Natürlich beobachten sie den Löwen genau, um mitzubekommen, wann er seine Meinung ändert und Hunger bekommt. Aber solange er satt und fault herumliegt, trauen sie sich sogar ziemlich dich an ihn heran:
Stell dir jetzt also vor, du bist gestresst und gehst auf dein Pferd zu… Du hast eine hohe Muskelspannung, einen erhöhten Puls, eine flache Atmung, bewegst dich direkt auf dein Pferd zu und starrst es dabei an.
Du wirkst wie ein Raubtier auf der Jagd!
Wenn dein Pferd genug Vertrauen in dich hat, wird es trotzdem mit dir mitkommen und noch verhältnismäßig gut mitmachen. Aber es wird aufgeregt sein, eventuell ängstlich und ja natürlich auch gestresst! Je nach Pferdetyp wird es also erstarren (z.B. Maul nicht für die Trense öffnen), flüchten (vor dem Sattel weggehen, herumhampeln…) oder kämpfen (beißen, treten).
Kein Wunder, oder? 🙂
Übrigens spiegeln Pferde häufig auch deine Energie. Und wenn du gestresst bist (egal ob positiv oder negativ) hast du einen erhöhten Energielevel. Das heißt, selbst wenn du einfach nur voller Vorfreude und ansonsten ziemlich locker bist, kann es sein, dass dein Pferd deinen hohen Energiepegel spiegelt und ebenfalls voller Energie ist. Dann brauchst du dich nicht wundern, wenn es beim Putzen gar nicht stillstehen KANN. 😉
Was macht dir (negativen) Stress?
Es gibt viele Auslöser von Stress. Hier findest du eine kleine Liste von Dingen, die ich leider selbst nur zu gut kenne… überlege einmal was die größten Auslöser von Stress in deinem Leben sind:
- Zeitdruck
- Erwartungsdruck von anderen (vom Chef, von Freunden, Familie, anderen Einstellern, der Stallbesitzerin, „der Gesellschaft“)
- Deine eigenen Erwartungen an dich selbst / Perfektionismus
- Prüfungsdruck /-angst
- Ständig unterwegs sein
- Ständig erreichbar sein
- Immer etwas „tun“
- Angst dem Pferd nicht gerecht zu werden
- Angst dass es dem Pferd nicht gut geht
- …
Wenn dir bewusst wird, was dir besonders viel Stress macht, kannst du versuchen diese Stressauslöser in deinem Alltag zu reduzieren. Ist Zeitdruck dein größtes Problem, versuche auch mal „Nein“ zu sagen und nicht jeden Termin um jeden Preis wahrzunehmen.
Du bist ständig erreichbar und fühlst dich dadurch gestresst? Kommuniziere mit Freunden und Familie, dass dein Handy zum Beispiel 1-2 Stunden morgens und abends aus ist und dass sie dich übers Festnetztelefon erreichen, wenn wirklich etwas Dringend ist.
Entspannung und Achtsamkeit als heilsamer Gegenpol
Die effektivsten „Waffen“ gegen den negativen Dauerstress sind für mich vor allem aktive Entspannungstechniken und Achtsamkeit. Indem ich selbst immer wieder darauf achte mich selbst zu entspannen und achtsamer durchs Leben zu gehen, kann ich meinen Stresslevel reduzieren.
Ich wende diese Techniken in meinem Alltag an, jedes Mal, wenn mir bewusst wird, dass ich gerade gestresst bin. Wenn mir auffällt, dass ich gerade flach atme oder die Schultern hochziehe… UND vor allem jedes Mal, wenn ich mich auf den Weg zu meinem Pflegepferd Jack mache.
Und wenn ich merke, dass ich immer noch zu gestresst bin und Jack mich aus diesem Grund lieber meidet?
Dann bin ich nicht sauer oder frustriert (ok, manchmal vielleicht ein bisschen 😉 ). Vor allem aber hole ich ihn nicht einfach trotzdem aus seiner Herde heraus.
Nein, ich setze mich in die Sonne und genieße einfach den Geruch und die Geräusche der Pferde! Nichts ist schöner und entspannender als das Geräusch von genüsslich kauenenden Pferden… hier und da ein zufriedenes Abschnauben… Hufgeklapper. Dazwischen Vögelgezwitscher und der Wind, der sanft durch die Bäume fährt.
Einatmen… ausatmen…. Entspannen. Im Moment ankommen.
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- Stress und seine Folgen: warum du unbedingt etwas dagegen tun solltest (Blogartikel von Janet Metz)
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Erzähl mir gerne von deinen Erfahrungen in den Kommentaren. 🙂
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