Die Stärke der mentalen Verbindung: Ein Buch von Beth Baumert (Werbung)
Auch wenn ich selbst kaum noch reite, war ich super neugierig auf dieses Buch. Da ich mit meinem Islandpferd Eldur vor vielen Jahren ein paar Momente genießen durfte, in denen wir tatsächlich EINS waren und ich das Gefühl hatte seine Beine wären meine Beine, weiß ich wie es sich anfühlt, wenn zwei Körper den gleichen Gedanken haben. Diese mentale Verbindung kenne ich aber tatsächlich auch aus der Boden- und Freiarbeit und so hatte ich die große Hoffnung hier auch viel für mein heutiges Training mitnehmen zu können. Ob das Buch diese Erwartungen erfüllt hat, erfährst du in dieser Rezension.
Aufmachung und Ziel des Buches
Das Ziel des Buches ist es, dass wir ein besserer Reiter für unser Pferd werden, wobei die meisten Tipps und Gedanken genauso gut für den nicht-reitenden Pferdemenschen anwendbar sind! Lass dich also bitte nicht davon abschrecken, dass die Fotos vor allem Turnierpferde zeigen und es auf den ersten Blick viel um Dressurreiten zu gehen scheint. Sobald man tiefer in das Buch eintaucht, sind da auch ganz viele Goldnuggets für gute Bodenarbeit und den Freizeitreiter zu finden.
Super schön finde ich den Gedanken, der immer wieder auftaucht: das Pferd soll sich auch unterm Reiter frei fühlen können.
Um dieses Ziel zu erreichen ist das Buch in 3 große Teile aufgeteilt:
- Die Psyche des Pferdes
- Die Psyche des Reiters
- Die 9 Lernprinzipien
Leider ist der 1. Teil relativ schwach geraten, wenn man sich schon viel mit der Psyche und dem Verhalten von Pferden auseinandergesetzt hat.
Umso stärker sind jedoch die Teile 2 und 3 und deshalb bitte ich dich unbedingt bis zum Ende zu lesen, damit du erfährst, wie wertvoll dieses Buch ist.
Obwohl es sehr viel Text und relativ wenige Fotos und (wirklich sehr schöne) Illustrationen enthält, liest es sich sehr gut. Durch viele Unterkapitel, Zwischenüberschriften, Zitate und Boxen ist der Text in kleine, gut zu verdauende Häppchen unterteilt. Kleine Geschichten aus dem echten Leben lockern den Inhalt zusätzlich auf. Immer wieder gibt es ganz konkrete Reitübungen, für die man allerdings schon eher auf A oder L-Niveau reiten sollte.
Besonders wertvoll sind die Stichpunktartigen Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels. So bleiben die wichtigsten Punkte besser im Kopf hängen.
Teil 1 – Psyche des Pferdes
Vom 1. Teil des Buches habe ich mir tatsächlich deutlich mehr versprochen. Wenn es um die Psyche des Pferdes geht, werden größtenteils nur die Klassiker angesprochen. Das Pferd ist ein Fluchttier… es lebt im Hier und Jetzt… Und ehe man sich versieht, geht es auch schon um konkrete Reittipps.
Dazu gibt es einige Punkte, die ich anders sehe. Natürlich gibt es immer mehrere Wege um ans Ziel zu kommen und die Autorin ist eine sehr erfolgreiche Dressurreiterin, so dass sie sicherlich weiß, wovon sie redet. Gleichzeitig möchte ich die Punkte, die ich nicht gut finde, nicht unkommentiert lassen. Deshalb spreche ich sie hier einmal an.
Zuallererst hoffe ich sehr, dass heutzutage niemand mehr ernsthaft Zuckerwürfel als Belohnung füttert! Es gibt doch inzwischen so viele gesunde Leckerlis als Alternative.
Und das Halsklopfen ist für das Pferd auch nicht sofort als Belohnung zu erkennen. Ich frage mich echt, woher dieser Brauch bei Reitern ursprünglich kommt! Wenn ich mein Pferd belohnen will, sollte es das auch als Lob erkennen und da nutze ich viel lieber ein Streicheln oder Kraulen.
Beim Training selbst rät die Autorin dazu, Sensibilität aufzubauen, in dem die Gertenhilfe stufenweise verstärkt wird bis das Pferd reagiert. Das wird in vielen Trainingskonzepten so gelehrt und bei Menschen, die wissen, was sie tun, ist das sicherlich auch in Ordnung. Bei den meisten Pferdemenschen, die keine Profi-Trainer sind, würde ich bei einer Nicht-Reaktion des Pferdes jedoch erstmal gucken, ob das Pferd überhaupt verstanden hat, was es tun soll! Oftmals wiedersprechen sich Körpersprache, Raumposition, Energie und inneres Bild des Menschen, so dass das Pferd verwirrt ist und gar nicht weiß, was es tun soll. Da hilft ein Erhöhen des physischen Drucks auch nicht!
Außerdem hätte ich in diesem Buch mit diesem Titel („Stärke der MENTALEN Verbindung“) erwartet, dass vor der Gertenhilfe erst die Körpersprache und die Energie des Menschen als „leiseste“ Stufe kommt. Darauf wird hier jedoch gar nicht eingegangen.
Und der letzte Punkt, den ich ganz anders sehe, ist der wie mit einem ängstlichen Pferd umgegangen wird. Wenn das Pferd Angst vor etwas hat, rät die Autorin dazu, das Pferd von der Gefahr wegschauen zu lassen. Der Reiter soll das Pferd aktiv in die andere Richtung stellen, damit das Pferd sich die gruselige Sache nicht anschauen muss.
Diesen Rat finde ich tatsächlich gefährlich, denn nach meiner Erfahrung ist die Fluchttendenz deutlich höher, wenn sich die gruselige Sache hinter dem Pferd befindet! Denn nur weil es nicht mehr dorthin gucken kann… es ist ja überzeugt davon, dass dort ein hungriger Löwe lauert und dass es gerade in Lebensgefahr schwebt! Wenn es sich der Gefahr entgegenstellt und sich die Sache angucken kann, wird es viel eher feststellen, dass das gar nicht gefährlich ist. Es lernt dadurch viel eher neugierig und selbstbewusst zu sein und sich selbständig und mutig mit solchen Dingen auseinander zu setzen.
Wenn du – wie ich – zum Beispiel Angst vor Spinnen hast, kennst du bestimmt die folgende Situation: du siehst eine große fette Spinne an der Wand… du holst (je nach Mut) ein Glas und ein Stück Pappe zum Raustragen oder doch eher den Staubsauger. Und als du zurückkommst, ist die Spinne plötzlich weg! Was ist schlimmer? Die „Gefahr“ zu sehen? Oder zu wissen, dass die „Gefahr“ da ist, aber sie nicht zu sehen? Also ich muss die Spinne immer genau beobachten, um genau zu wissen, wo sie ist und was sie tut. Ist sie plötzlich verschwunden, fühle ich mich in dem ganzen Zimmer tagelang unwohl und bin sehr angespannt.
Deshalb, um zurück zum Pferd zu kommen, lasse ich mein Pferd lieber zur Gefahr hinschauend, seitwärts dran vorbeigehen. Oder lasse es einfach stehen und gucken bis es sich selbst davon überzeugt hat, dass da keine Gefahr besteht.
Nur ein Punkt gefiel mir in dem 1. Teil des Buches sehr, da er zum Titel passt, sehr wichtig ist und trotzdem nur in wenigen Büchern so deutlich genannt wird. Es geht darum, dass Gedanken wie „Gehe nicht zum Gras“ oder „Drängel mich nicht zur Seite“ vom Pferd nicht verstanden werden können. Du kennst bestimmt den Satz „Denke jetzt nicht an den rosa Elefanten.“ Und prompt denkst du an einen rosa Elefanten. Genauso geht es dem Pferd auch. Es versteht das „nicht“ im Satz bzw. in deinem Gedanken nicht. Denn überleg mal, welches Bild du im Kopf hast, wenn du diese Gedanken denkst… Du siehst mit Sicherheit ein Pferd vor dir, was zum Gras zieht oder was dich wegdrängt.
„Ihre Kommunikation muss positiv sein. Sagen Sie Ihrem Pferd, was sie wollen, anstatt ihm zu sagen, was Sie nicht wollen.“
Auszug aus dem Buch „Zwei Körper ein Gedanke“
Deshalb ist es so wichtig, dass du dir immer überlegst, was dein Pferd stattdessen tun soll! „Bleib bei mir“ oder „halte 1 Meter Abstand“ sind viel deutlichere Wünsche.
Teil 2 – Psyche des Reiters
So enttäuschend wie der 1. Teil des Buches war, desto begeisterter bin ich von Teil 2 und 3! Hier bekomme ich genau das, was ich von dem Buch erwartet habe. Es geht sehr viel um Persönlichkeitsentwicklung. Themen wie Achtsamkeit und Dankbarkeit kenne ich aus vielen Büchern, jedoch wenig aus solchen, bei denen es ums Reiten geht.
Wie wirst du zu einem guten Partner und besserem Reiter für dein Pferd?
Während ich das Buch lese, wird mir klar, wie enorm wichtig es ist Wissen zu haben. Wissen über Reitlehre, Skala der Ausbildung, Biomechanik etc. und zwar wirklich bis ins Detail. Dabei muss ich mir eingestehen, wieviel ich noch nicht weiß, obwohl ich bereits sehr viele Bücher gelesen habe.
Besonders spannend ist jedoch, dass die Autorin zwar zum einen aufzeigt wie wichtig Wissen ist, zum anderen aber sagt, dass beim Reiten Fühlen wichtiger ist als Denken. Das ist etwas, das ich früher immer wieder festgestellt habe. Man nimmt unglaublich viel Reitunterricht, um besser zu werden. Und gleichzeitig sind es die Momente, wo man gar nicht mehr denkt, in denen man in purer Harmonie eins wird mit dem Pferd. Durch das Buch wurde mir klar, dass das Wissen so selbstverständlich werden muss, dass es ins Unterbewusstsein übergeht. Dann braucht man nicht mehr darüber nachzudenken, warum man wie und was tut. Der Körper tut es einfach. Die Autorin nennt diesen Zustand „die Zone“ und das Reiten in der Zone beschreibt sie als Dynamische Meditation. Ich selbst nutze den Begriff „Flow“ dafür.
In dem Buch wird dieser Zustand als eins der Hauptziele beschrieben. Wenn du ihn auch schon einmal erlebt hast, weißt du warum… er macht süchtig! 😉 Und hier bekommst du einige Tipps, wie du in den „Flow“ bzw. in „die Zone“ kommen kannst.
Dieser Teil des Buches ist super interessant und bringt dir viele Aspekte und Denkanstöße, die auch im täglichen Umgang und bei der Bodenarbeit mit Pferden hilfreich sind.
So zum Beispiel, dass du immer eine klare Absicht verfolgen solltest. Warum soll dein Pferd jetzt Schulterherein gehen? Wenn dir das ganz klar bewusst ist, wird dein Pferd automatisch besser und motivierter mitmachen.
Teil 3 – Die 9 Lernprinzipien
Im 3. Teil erfährst du, wie wir Menschen lernen. Wieviele Aspekte dabei eine Rolle spielen, hat mich tatsächlich sehr überrascht. Wenn diese Prinzipien beim Unterrichten (egal ob in der normalen Schule oder beim Reitunterricht) eingesetzt werden würden, würden viele Schüler bestimmt schneller und leichter lernen. Wenn du also in irgendeiner Form unterrichtest und dich (wie ich) noch nicht mit Pädagogik auseinander gesetzt hast, lies dir unbedingt dieses Buch durch! Hier gibt es ganz viele konkrete Tipps zum besseren Lehren, aber auch zum besseren Lernen. Denn schließlich haben wir als erwachsene Schüler auch eine Eigenverantwortung.
Die 9 Lernprinzipien sind:
- Das Prinzip der Nachahmung und des sozialen Lernens
- Das Prinzip des Bereitseins
- Das Prinzip von Übung und Wiederholung
- Das Belohnungsprinzip
- Das Prinzip des Primäreffekts
- Das Prinzip des Rezenzeffekts
- Das Prinzip der Intensität
- Das Prinzip der Verantwortbarkeit
- Das Prinzip der Organisation
Dass Menschen und Tiere durch das Beobachten lernen, wusstest du bestimmt auch schon. Aber hast du einmal darüber nachgedacht, was das für dich bedeutet? Schaust du anderen Pferdemenschen und Reitern zu? Egal ob im echten Leben, im Fernsehen oder im Internet. Es macht einen Unterschied ob du dir z.B. immer wieder Videos von echten Vorbildern anschaust oder ob du ständig von schlechten Reitern umgeben bist und nur diese Bilder im Kopf hast.
„Schlechtes Reiten ist ebenso ansteckend wie gutes Reiten.“
Auszug aus dem Buch „Zwei Körper ein Gedanke“
Du kannst dir dieses Prinzip zunutze machen und dir gezielt Videos von Menschen heraussuchen und anschauen, die bereits da sind, wo du hinwillst.
Auch wenn durch das Buch klar wird, wieviel ich noch nicht kann… es macht auch sehr viel Mut Dinge wieder mehr zu üben und zu verbessern. Vor allem dieser Satz hier, hat bei mir viel verändert:
„Es liegt in der menschlichen Natur, Sachen zu vermeiden, die wir nicht gut können.“
Auszug aus dem Buch „Zwei Körper ein Gedanke“
Da habe ich mich automatisch gefragt: was vermeide ich, weil ich es noch nicht gut kann? Will ich das können? Dann muss ich auch etwas dafür tun und es üben. Auch wenn es am Anfang furchtbar aussieht und sich nicht gut anfühlt.
Fazit
Das Buch „Zwei Körper ein Gedanke“ hat meine Erwartungen zu 1/3 nicht erfüllt und zu 2/3 sogar noch übertroffen. Wenn du dich mit der Pferdepsyche auseinander setzen möchtest, gibt es viele bessere Bücher. Aber wenn du an dir selbst arbeiten willst und dich selbst besser verstehen willst, um ein besserer Pferdemensch und Reiter zu werden, kann ich es dir sehr empfehlen! 🙂 Besonders ans Herz legen möchte ich dir dieses Buch, wenn du selbst Reitlehrer bist. Denn du lernst, wie du deine Schüler noch besser verstehen, abholen und fördern kannst!
„Wir als Reiter müssen unser Ego zurückstellen und jeden Tag mit Liebe, Mitgefühl, einer positiven Einstellung und Dankbarkeit angehen. Und wir müssen dafür offen sein, dass Magie wahrscheinlich ist.“
Auszug aus dem Buch „Zwei Körper ein Gedanke“
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