Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft – Wie Pferd & Mensch denken, fühlen, handeln: Ein Buch von Janet L. Jones [Werbung].
„Ui, das ist aber ein dicker Wälzer“, war mein erster Gedanke, als ich dieses Buch in den Händen hielt. Ein Buch, das für den Kosmos Verlag eher ungewöhnlich ist – mit 300 Seiten wirklich dick, dazu viiiiel Text, keine Fotos und nur wenige Zeichnungen. Doch als ich mich erstmal ans Lesen herangewagt hatte, war ich positiv überrascht. Es war nämlich wirklich sehr interessant! Obwohl ich der Meinung war schon sehr viel über Pferde zu wissen, konnte ich hier noch eine Menge lernen.
Wissenschaft für Laien
Der englisch-sprachige Titel lässt es schon vermuten. Das Buch stammt von einer Amerikanerin, ist in den USA sogar ein Bestseller und wurde nun ins Deutsche übersetzt.
In dem Buch geht es um Neurowissenschaftliches oder Gehirnbasiertes Horsemanship. Die Autorin ist Kognitionswissenschaftlerin und erfolgreiche Pferdetrainerin und kombiniert ihr Wissen aus beiden Bereichen. So entsteht ein wissenschaftliches Buch, das für den interessierten Leser viele Quellenangaben als Fußnoten im Text bereithält. Und dennoch ist es so einfach geschrieben, dass auch der Laie, dessen Biologieunterricht in der Schule schon länger her ist, 99% gut verstehen kann. Fachbegriffe werden kaum benutzt und wenn ist es auch nicht schlimm diese einfach zu überlesen. Vor allem die Bezeichnungen der einzelnen Gehirnabschnitte wie „Präfrontalcortex“ werden zwar benannt, sind für das Verständnis des Textes aber nicht so wichtig. 😉
Tatsächlich liest sich der Text wirklich gut und ist teilweise sogar richtig unterhaltsam geschrieben. Viele Beispiele und kleine Geschichten lockern den Text auf. Dazu kommen kleine Tests, die wirklich beeindruckende Erkenntnisse bereithalten!
Für mich als ehemalige Wissenschaftlerin (wenn auch auf völlig anderem Gebiet) ist es besonders schön, dass die Autorin auch bisherige Wissenslücken der Wissenschaft aufdeckt und hier aktiv zu weiterer Forschung aufruft.
Wozu muss ich etwas über das Gehirn wissen?
Wahrscheinlich fragst du dich jetzt, was dir so ein theoretisches Wissen über das Pferdegehirn bringen soll…
Kurz gesagt: weil es mehr Verständnis für das Pferd bedeutet und mehr Verständnis bringt mehr Achtsamkeit und Fairness in die Beziehung zu deinem Pferd. Wenn sich dein Pferd besser verstanden fühlt, wird es dir mehr vertrauen und eure Bindung wird noch enger!
„Training ist viel effektiver und schöner, wenn wir versuchen zu verstehen, was das Pferd uns sagen möchte.“
Zitat aus dem Buch „Horse Brain, Human Brain“
Das Buch ist in 5 Teile gegliedert:
- Einleitung und Evolution des Gehirns
- Die Welt wahrnehmen – die Sinne des Pferdes im Vergleich zu unseren
- Wie lernt ein Pferd
- Aufmerksamkeit, Emotionen, Motivation, Bewusstsein
- Horsemanship und Ethik
Jeder Teil enthält spannende Erkenntnisse, die du für den Umgang mit deinem Pferd nutzen kannst. Und zwar unabhängig davon, ob du am Liebsten Bodenarbeit machst, reitest oder einfach nur Zeit mit deinem Pferd verbringst.
Das Buch ist vor allem für traditionelle Reiter geschrieben, die nur selten Bodenarbeit machen. Allerdings ist zwischen den Zeilen – und manchmal auch deutlicher – zu erkennen, dass die Autorin für mehr Achtsamkeit und Verständnis dem Pferd gegenüber wirbt. Sie möchte erreichen, dass der Leser sein Pferd nicht nur besser trainieren kann sondern vor allem eine bessere Beziehung zu ihm bekommt!
Das Gehirn…
Das Pferdegehirn hat sich im Laufe der Evolution durch natürliche Selektion so entwickelt, dass es das Pferd bestmöglich vor dem Gefressen werden von Raubtieren schützen kann. Es ist nicht dafür gemacht mit Menschen (also Raubtieren!) zusammen zu arbeiten und sich sogar reiten zu lassen. Auch durch die Zucht durch uns Menschen hat sich daran nicht viel verändert. Schließlich wird meistens eher auf körperliche Eigenschaften, wie Schönheit, Schnelligkeit oder Kraft hin selektiert.
„Das Pferdegehirn ist nicht dafür gemacht die menschliche Welt zu verstehen und zu interpretieren.“
Zitat aus dem Buch „Horse Brain, Human Brain“
Doch auch wenn der grobe Bauplan immer der gleiche ist. Gehirne verändern sich während des ganzen Lebens! Immer wenn man etwas Neues lernt, entstehen im Gehirn neue Verknüpfungen. Anfangs ist es nur ein kaum zu erkennender „Pfad“. Je öfter man diese Sache aber wiederholt, desto breiter und fester wird diese „Straße“. Das sind also tatsächlich physische Verbindungen im Gehirn! Etwas das erklärt, warum Falsch gelerntes, so schwer wieder zu verlernen ist.
Im Gegenzug dazu verkümmern nicht genutzte Verknüpfungen mit der Zeit aber auch wieder. Wusstest du zum Beispiel, dass Menschen mal Wasserquellen riechen konnten? Verrückt oder? Heutzutage brauchen wir unsere Nase nicht mehr zu nutzen, um Wasser zu finden und so ist diese Verknüpfung in unserem Gehirn zwischen Geruch und Handlung (Wasser suchen) verkümmert.
Dieses Grundprinzip ist bei Pferden und Menschen tatsächlich das gleiche.
Wie Pferde lernen
Pferde lernen super schnell und immer! Leider auch dann, wenn wir ihnen gerade gar nichts aktiv beibringen wollen… *lach*
Das Buch zeigt dir ganz genau wie Pferde lernen und auch wo der Unterschied zu uns Menschen liegt. Im Vergleich zu uns verallgemeinern sie zum Beispiel nicht so sehr. Für uns Menschen ist ein Wasserschlauch ein Wasserschlauch. Vielleicht unterscheiden wir noch zwischen leer und gerade mit Wasser gefüllt. Für Pferde dagegen gibt es blaue, gelbe, grüne, gestreifte, groß aufgewickelte, klein aufgewickelte, chaotisch aufgewickelte Wasserschläuche und alle sind unterschiedlich! Ist der eine als ungefährlich eingestuft, gilt das für die anderen 100 Arten nicht grundsätzlich auch. Etwas, das du bestimmt auch schon einmal mit deinem Pferd erlebt hast, oder?
Wenn es darum geht wie Pferde lernen, darf ein Thema natürlich nicht fehlen… der Vergleich von negativer und positiver Verstärkung. Ein kontroverses Thema, was häufig einseitig beleuchtet wird. In diesem Buch dagegen werden Vor- und Nachteile beider Trainingsmethoden aufgezeigt. Es wird deutlich erklärt wo der Unterschied zwischen negativer Verstärkung und Strafe liegt und warum positive Verstärkung nicht zwangsläufig Futterlob beinhalten muss.
„Futter lässt die Aufmerksamkeit des Pferdes kurz aufflammen, nicht essbare Belohnungen schaffen langfristiges Vertrauen.“
Zitat aus dem Buch „Horse Brain, Human Brain“
Wie Pferde die Welt sehen
Für mich am Spannendesten war der Teil, der auch mit Abstand der längste des Buches war: wie nehmen Pferde die Welt wahr! Denn hier zeigen sich auch mit am Deutlichsten die Unterschiede zwischen Pferd und Mensch.
Allein die seitliche Lage der Augen im Pferdeschädel lässt sie eine ganz andere Sicht auf die Welt haben wie wir. Vermutlich wusstest du schon, dass Pferde im Gegensatz zu uns, fast eine Rundumsicht haben. Nur direkt vor ihnen und hinter ihnen ist ein blinder Fleck. Was zumindest mir aber nicht klar war – sie sehen die Welt bei weitem nicht so scharf und klar wie wir!
Hast du schon einmal überlegt, wie Springpferde ein Hindernis sehen?
Mich wundert jetzt jedenfalls nicht mehr so sehr, warum mein schon verstorbenes Pferd damals so extreme Probleme hatte auch nur über ein Cavaletti zu hopsen. Es lag nicht nur an der mangelnden Übung und Koordinationsfähigkeit sondern auch daran, dass er das Hindernis einfach nicht so scharf sehen konnte wie ich!
Pferde sehen die Welt so anders, weil sie das Raubtier, das sich anschleicht, unbedingt frühzeitig sehen müssen. Und dann, wenn etwas Verdächtiges zu sehen ist, muss das Gehirn sofort den Befehl zur Flucht geben! Scheuen ist also ein ganz natürliches Verhalten, über dass das Pferd nicht „nachdenkt“. Würde es das tun, würde es gefressen werden. Ganz einfach!
Der Teil unseres Gehirns, der Dinge erst analysiert und interpretiert und unsere Handlungen planen lässt, den hat ein Pferd gar nicht!
Selbst wenn wir es in der Theorie wissen, im Alltag vergessen wir oft, dass Pferde die Welt anders wahrnehmen. Und dann ärgern wir uns schnell, weil wir nicht verstehen können, warum das Pferd so reagiert wie es das tut… die Abbildungen und Tests in diesem Buch sind so beeindruckend, dass sie hoffentlich eine langfristigere Wirkung auf mein Verständnis für Pferde haben werden!
Fazit
Das Buch „Horse Brain – Human Brain“ ist ein sehr gutes Buch, wenn man die Welt mehr aus der Sicht der Pferde sehen möchte. Das bringt ein besseres Verständnis und hilft damit auch das Vertrauen von Pferden zu gewinnen und ja, auch sie besser zu trainieren.
Du verstehst, warum sich Pferde vor Dingen erschrecken, die sie schon 100x gesehen haben. Du erkennst, warum Dauertreiben oder Dauerschnalzen sinnlos ist und dass das Ignorieren derselben von deinem Pferde keine „Respektlosigkeit“ ist. Und noch soooo viel mehr!
Lass dich nicht von den vielen Seiten und dem vielen Text abschrecken. Es liest sich sehr gut, ist unterhaltsam und unglaublich lehrreich. 🙂
Hol es dir jetzt HIER über Amazon* oder HIER über Thalia*.
*: Affiliate-Links: Wenn du das Buch über diesen Link kaufst, bekomme ich eine kleine Provision ohne dass du mehr bezahlen müsstest (mehr dazu hier). 🙂
Maren Weddige says
Ich habe es bestellt. Ich bin gespannt
Jessica Freymark says
Hallo Maren,
super! 😀 Ich bin gespannt wie es dir gefällt. Wenn du Zeit und Lust hast, freu ich mich, wenn du mir dann nochmal hier schreibst. 🙂
LG Jessica