Natural Horsemanship, gebissloses Reiten und andere Alternativen zum klassischen Umgang mit Pferden waren für mich zwar viele Jahre lang ein Begriff. Aber ich habe mich nie ernsthaft damit auseinander gesetzt. Warum auch? Ich war ja zufrieden. Doch dann kam ein Schlüsselmoment…
Wie ich zum Natural Horsemanship kam
Auf der Berliner Pferdemesse Hippologica im Dezember 2009 saß ich am großen Showring und beobachtete ziemlich unglücklich all diese armen Pferde, die sich fast alle aufrollten, zum Teil deutlich sichtbar von der Reiterhand heruntergeriegelt wurden. Ich sah gestresste Pferde, verbissene und harte Reiter und Reiterinnen. Keine Spur von Leichtigkeit und von Spaß… und dabei war es ziemlich egal welche Rasse, welche Reitweise und welches Niveau dort gerade vorgeführt wurde.
Und dann kam Silke Vallentin mit ihrem Team herein… Ich kannte ihren Namen bereits und wusste, dass sie seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Umso beeindruckender ist, was sie mit ihrem Pferd alles zeigte. Verschiedenste Dressurlektionen der schwersten Klasse konnte ihr Friese völlig frei, mit Spaß und Leichtigkeit neben ihr zeigen… auf kleinste Signale vom Rollstuhl aus. Silke sprach konkret die Missstände an, die ich vorher ebenso gesehen hatte. Und sie zeigte und erklärte, dass das Alles auch ganz anders geht! Ich war begeistert und tief beeindruckt!
So sehr beeindruckt, dass ich ein halbes Jahr später einen Kurs bei Silke Vallentin besuchte. Silke ist Parelli Instruktorin, unterrichtet also Parelli Natural Horsemanship. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich sehr skeptisch, ob das überhaupt etwas für mich und für Eldur ist! Pat Parelli war für mich ein Guru, der viel Equipment für teures Geld verkauft, ohne welches man angeblich nicht auskommen würde. Und ich dachte, Leute, die solch beeindruckende Freiheitsdressur zeigen, haben sicherlich alle Top-Pferde und nicht solche Charakter- und Energiesparpferde wie Eldur! Doch durch ihren Auftritt auf der Hippologica hatte mich Silke einfach unheimlich neugierig gemacht. Um Eldur nicht diesem Experiment auszusetzen und ganz unvoreingenommen mitmachen zu können, nahm ich an dem Kurs mit einem Leihpferd teil. Nachdem ich von Eldur berichtet hatte, wurde mir ein kleines Welsh-B Pony zugeteilt, das vom Charakter her fast exakt wie Eldur war.
Dieses Pony nahm mich am Anfang überhaupt nicht für voll. Es interessierte sich nur für das Gras unter seinen Hufen und ließ mich links liegen. Eine frustrierende Erfahrung von einem Pony, das mir gerade mal bis zum Bauchnabel reichte, so vorgeführt zu werden. Doch schon im Laufe des 1. Tages mauserten wir uns zu Musterschülern! Ich konnte kaum glauben wie fein und aufmerksam dieses Pony wurde! Am Ende des 2. Tages konnte ich es einfach von draußen auf einen Hänger schicken! Diese Verwandlung war es die mir gezeigt hat – JA es funktioniert! Und es funktioniert auch mit einem Pferd wie Eldur!
Vom schnellen Erfolg zu großem Frust
In den nächsten Monaten brachte ich Eldur also ganz alleine bei, was ich in dem Wochenendkurs gelernt hatte. Logisch, dass das nicht ohne Misserfolge ablief. Manchmal war ich einfach nur ratlos, weil Eldur nicht so reagierte wie erwartet und ich keinen Plan B in der Tasche hatte. Doch im Großen und Ganzen lief es gut und wir begannen sogar hin und wieder auf dem Reitplatz das Knotenhalfter abzunehmen und frei, also at Liberty, zu spielen. Vieles klappte dabei noch nicht. Aber Eldur hatte meistens Spaß daran mir zu folgen und manchmal bekam er dabei solche Temperamentsausbrüche, dass er wild bockend hinter mir herkam. Da er normalerweise ja nicht so begeistert bei der Arbeit ist, freuten mich diese Momente immer besonders!
Doch es kam der Punkt, wo es sich drehte und alles nur noch schlechter wurde. Eldur legte nur noch die Ohren an, wenn ich ihn rückwärts schicken wollte. Alles wurde zäh und ich hatte immer mehr das Gefühl mich „durchsetzen“ zu müssen. Da war dann auch nichts mehr mit feiner Kommunikation. Liberty spielen klappte nur selten. Meistens ging Eldur lieber weg und graste anstatt bei mir zu bleiben. Ich hatte das Gefühl, dass es das ganze Natural Horsemanship war, was eben bei uns nicht funktionierte. Und ich machte es immer weniger bis ich ganz aufhörte.
Fahren vom Boden als Alternative zum Reiten
Im Sommer 2013 bekam Eldur leichte Schmerzen im Fesselgelenk durch eine Zubildung am Gleichbein, die eine Reizung ausgelöst hatte. Ich konnte nichts weiter machen als abwarten und nur noch vom Boden arbeiten – ohne Seitengänge und enge Wendungen! Um Eldur trotzdem zu beschäftigen, brachte ich ihm innerhalb eines Jahres ganz alleine das Fahren vom Boden bei. Als es ihm nach 1 Jahr wieder gut genug ging, lernte er auch ein Geschirr zu tragen und einen Reifen zu ziehen. Alles machte ich sehr kleinschrittig und gewissenhaft, auch wenn ich nie vorhatte ihn ernsthaft einzufahren. Aber einen kleinen Traum hatte ich doch – einmal mit Eldur Schlittenfahren!
Die große Kehrtwende – Kommunikation statt Monolog
Zu dieser Zeit trat auch Parelli Natural Horsemanship wieder in unser Leben… und diesmal sollte es bleiben. Aus gar keinem genauen Anlass beschäftigte ich mich damit wie es nach diesen Anfängerübungen eigentlich weitergeht, die ich 2010 gelernt hatte. Und ich stellte schnell fest, dass ich den absolut typischen Fehler begangen hatte. Ich hatte das ABC so lange „geübt“ und immer wieder abgefragt bis Eldur total genervt davon war und mir gar keine Antwort mehr geben wollte, auch wenn er sie kannte. So als würde man einen Gymnasiasten immer wieder das ABC aufsagen lassen. Kein Wunder also, dass das schlechter statt besser geworden war. So bildete ich mich von da an im Selbststudium weiter. Das Parelli System bietet einem da unheimlich viel Hilfe und Wissen. Trotzdem nahm ich aber auch hin und wieder als Zuschauer oder mit Leihpferden an Live-Kursen teil. Ich lernte unheimlich viel… über Pferde, über Pferdetraining und ganz besonders viel über mich selbst! Denn eines bemerkte ich sehr schnell – Natural Horsemanship hat viel mit Arbeit an mir selbst zu tun! Sehr viele sehen und nutzen nur die Techniken – leider auch viele Trainer! Doch wenn man sich ernsthaft damit auseinander setzt, stellt man schnell fest, dass die Techniken nur ein winziger Teil des Ganzen sind. Es ist tatsächlich eine innere Einstellung. Mehr dazu findest du in diesem Blogbeitrag. 😉
Es stellten sich sehr schnell Erfolge bei uns ein! Die Übungen, die vor ein paar Jahren immer schlechter und schlechter geworden waren, klappten plötzlich wieder und zwar sogar besser als zuvor. Wir begannen nun aus dem ABC Wörter und schließlich auch ganze Sätze zu bilden. Und neben den Techniken arbeitete ich an mir selbst, an meiner Körpersprache, aber auch an meinen Emotionen und alles was man so als Führungsqualitäten bezeichnet.
Eine Alternative zum Reiten mit Gebiss
Eines Tages war ich zu einem Ausritt verabredet. Doch eine kleine Spielverletzung am Maul führte dazu, dass ich Eldur keine Trense anziehen konnte. Kurz entschlossen ritt ich Eldur am Knotenhalfter ins Gelände. Nicht zum Nachmachen geeignet – aber es klappte wirklich überraschend gut. Und es brachte mich ganz krass zum Umdenken. Wozu ritt ich eigentlich mit Gebiss? Weil man es eben so machte? Weil man nur mit Gebiss wirklich Kontrolle hat? Doch war das wirklich so? Eldur und Trensengebisse waren schon immer ein schwieriges Thema gewesen. Er hat sehr kurze Maulwinkel, so dass ich sie ihm immer stark nach oben ziehen musste, damit das Gebiss nicht an seine Zähne schlug. Und trotzdem legte er häufig seine Zunge über das Gebiss… Ich recherchierte also und begann auszuprobieren. Und tatsächlich trug Eldur seit diesem Ausritt im Jahr 2014 kein einziges Mal mehr ein Gebiss in seinem Maul.
Natürlich dauerte es etwas bis ich mit dem Glücksrad genauso gut gymnastizierende Dressur reiten konnte wie mit Gebiss. Schließlich musste Eldur die Zügelhilfen erstmal neu lernen. Aber da ich zeitgleich so viel über Körpersprache am Boden lernte, wendete ich auch immer mehr Körpersprache im Sattel an. Und ich merkte, dass die Zügel immer mehr zur Dekoration wurden…
Schlittenfahren
Im Winter wurde dann mein Traum wahr! Das erste Mal Schlittenfahren war gut vorbereitet gewesen – jedoch nur mit Gebiss. Mit dem Sidepull, das ich dafür verwendete, hatten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht viel Erfahrung. Aber für etwas geradeaus fahren reichte es. Ich war mega stolz auf meinen Schatz! Seitdem wartete ich auf den nächsten schneereichen Winter um endlich weiter üben zu können… Fahren vom Boden mit Sidepull klappte später jedenfalls genauso wenn nicht sogar besser als mit Gebiss.
Und danach?
Anfang 2017 hatte ich sehr viel Stress und Eldur ging es gesundheitlich nicht so gut, so dass ich auf das Reiten lieber verzichtet habe. Stattdessen habe ich ganz viel an unserer Kommunikation und unserer Beziehung gearbeitet. Es ging mir darum, dass er gerne mit mir zusammen ist, dass er freiwillig und mit Freude mit mir zusammen „arbeitet“. Er soll mitdenken und nicht nur Befehle ausführen. Das hat noch einmal unheimlich viel verändert und seitdem wieherte Eldur eigentlich immer, wenn ich kam. Mit gespitzten Ohren kam er zum Tor gelaufen, um mich dort zu treffen. „Einfangen“ gab es bei uns nicht mehr. Anbinden zum Putzen brauchte ich ihn auch nicht mehr. Wir hatten eine echte Partnerschaft und das ist einfach nur unglaublich schön!
Im Sommer 2017 kam dann jedoch der große Einschnitt, der alles verändert hat! Und am 25.08.2018 musste ich Eldur dann leider über die Regenbogenbrücke gehen lassen. Über unser letztes gemeinsames Jahr und warum sich dort alles noch einmal verändert hat, erzähle ich dir in Teil 3.
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